Onkel Franz – unfreiwillig gekommen um freiwillig zu bleiben

Heute möchte ich euch die Geschichte von einem polnischen Kriegsgefangenen erzählen der viele Jahre in Wissersheim gelebt hat.
Sein Name ist Franz Jankowiak. Geboren wurde er am 5.10.1911 in dem kleinen Ort Domaradzice in der Nähe von Posen.

Anfang der 30er Jahre leistete er Militärdienst in Polen, wurde 1939 einberufen und geriet in deutsche Gefangenschaft.

Nach anfänglich schlimmen Zuständen ging er selber zum Arbeitsamt und stelle einen Antrag auf Versetzung.
1942 wurde er der Familie Laufenberg zugeteilt.
Nach Kriegsende blieb Franz Jankowiak auf dem Hof. Er wurde dringend gebraucht, denn der Hofherr war im Krieg gefallen und sein Sohn war erst 13 Jahre alt, sodass jede Hilfe gerne gesehen war.

Laut Pastor Ingenlath lebten Ende 1943 genau 58 ausländische Arbeiter in Wissersheim, darunter 26 Kriegsgefangene Polen.
Einzigen ist es sehr schlecht ergangen. Im Ort gab es Spitzel die aufpassten dass die Kriegsgefangenen abseits aßen und nicht im Haus schliefen. Dies war hier nicht der Fall. Wer gearbeitet hat sollte das gleiche Recht auf gutes Essen haben wie jeder andere auch.
Nach Kriegsende ist Franz Jankowiak einfach geblieben.
Er wurde gebraucht und hatte in der Alten Heimat vieles verloren.
Zu dieser Zeit tauchte auch ein anderer Pole ( Alex) wieder in Wissersheim auf. Er wurde zum Essen bei Familie Laufenberg einladen und berichtete dass es ihm nach seiner Flucht sehr schlecht ergangen sei. Er verlor unter anderem ein Bein. Er trug eine Prothese und brachte eine Pistole mit um sich sich an seinen Peinigern zu rächen. Nur durch stundenlanges Zureden gelang es Franz Jankowiak ihn davon abzuhalten.

„Onkel“ oder „Pole Franz“ wie er liebevoll im Ort genannt wurde, war sehr gesellig. Oft wurde sich getroffen um zu feiern oder Karten zu spielen.
Durch seine freundliche und hilfsbereite Art war er sehr beliebt im Ort.
Er konnte bei Familie Laufenberg regelmäßig seine Freunde einladen, einmal hat meine Oma 40 Tauben gebraten um sie zu beköstigen.
Er hat hier als vollwertiges Familienmitglied gelebt.
Sie lebten, schliefen und aßen alle unter einem Dach, obwohl dies ja zu Kriegszeiten nicht erlaubt war.
Man stelle sich diese Situation in der heutigen Zeit vor:
Die Schwiegermutter, das junge Ehepaar, 4 Kinder und ein ehemaliger Zwangsarbeiter unter einem Dach.
Doch es hat funktioniert.
30 Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland fuhr er das erste mal wieder nach Polen um seine Geschwister, Neffen und Nichten zu besuchen.
Er kam einen Tag später als erwartet zurück sodass die Laufenbergs Kinder Angst hatten er wäre in seiner Heimat geblieben. Es hat jedoch lediglich Probleme mit der Bahnverbindung gegeben .
Später ist er mit den Enkeln der Familie noch weitere Male auf Heimatbesuch gewesen.
Seine Eltern hatte Franz Jankowiak nie wieder gesehen.
Jedesmal wenn ein Brief von seiner Mutter kam hat er geweint.
Es war eine andere Zeit, man konnte nicht einfach mal übers Wochenende nach Hause fliegen.

Er blieb zeitlebens unverheiratet und kinderlos.

Ich selber habe auch noch Erinnerungen an ihn:
Obwohl er so lange in Deutschland gelebt hat, sprach er mit deutlichem Akzent. Er war gerne zu Späßen bereit. Als eine Katze einen Wurf hatte winkte er mich heran und sagte, auf die Katzenmutter deutend:„ packe an, packe an!“
Ich streichelte die Katze, die mir sofort die Hand zerkratzte.
Onkel hatte großen Spaß mich reingelegt zu haben.

Am 22.1.88, im Alter von 76 Jahren, drehte Franz Jankowiak abends noch eine Runde durch den Stall, erlitt dort einen Herzinfarkt und verstarb.

Wir waren sehr bestürzt.
In der Todesanzeige hieß es „mit ihm verlieren wir einen lieben Freund der sich in den 46 Jahren die er in unserer Familie gelebt und gearbeitet hat, durch seine Treue, Hilfsbereitschaft und seinen Fleiß ausgezeichnet hat“
Zahlreiche Menschen kondulierten u.a. mit den Worten: „die anerkennenden Worte, die ihr in der Anzeige ausgesprochen habt, möchte ich voll bestätigen und man kann nur hoffen, dass diese Art Menschen nicht aussterben. Sie sind das Salz der Erde.“

2018 wurde meine Familie aufgefordert den Grabstein zu entfernen.
Dies ist meines Erachtens nicht zulässig, da die Grabstätten von Kriegsgefangenen keiner Frist unterliegen.

Mit 13 Jahren bin ich mit meiner Familie nach Polen gefahren. Eine seiner Nichten hat geheiratet und wir hatten so die Gelegenheit seine Heimat kennenzulernen.
Bis heute besteht Briefverkehr zwischen den Familien.

Quelle:
Dürener Geschichtsblätter Nr.78
Private Sammlung

Maria Käufer

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